Zeitarbeit in der Pflege – Licht oder Schatten?

Zeitarbeit in der Pflege – Licht oder Schatten?

Zeitarbeit in der Pflege sorgt für Frustration unter dem festangestellten Pflegepersonal.
Zeitarbeit in der Pflege ist ein viel diskutiertes Thema – ein Überblick aus verschiedenen Blickwinkeln.

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Die Diskussion um den Einsatz von Zeitarbeitskräften in der Pflege zum Ausgleich des vielerorts vorherrschenden Pflegenotstands hat längst auch die Politik erreicht. So will die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci die Zeitarbeit in der Pflege einschränken. Grund dafür ist die hohe Anzahl an Pflegekräften von Zeitarbeitsfirmen in den Berliner Kliniken, da sie finanzielle und organisatorische Probleme für die Einrichtungen bedeuten. Im Februar 2020 hat das Land Berlin beschlossen, eine entsprechende Initiative in den Bundesrat einzubringen. Rückenwind bekommt dieses Vorhaben auch vom Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Er will Anreize dafür schaffen, dass Pflegeeinrichtungen wie Krankenhäuser oder Pflegeheime zukünftig wieder vermehrt auf festangestellte Pflegekräfte anstelle von Leiharbeitern setzen.

Was bedeutet eigentlich Zeitarbeit in der Pflege?

Arbeitnehmerüberlassung, Leiharbeit, Zeitarbeit in der Pflege – es gibt verschiedene Begriffe, die die Vermittlung von Pflegekräften an Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser durch Zeitarbeitsfirmen beschreibt. In Ergänzung zum herkömmlichen Arbeitsverhältnis aus Arbeitnehmer und Arbeitgeber spielt hier also die Personalvermittlung eine entscheidende Rolle. Dabei wird der Einsatz von Zeitarbeit in der Pflege häufig mit der Bekämpfung des allgegenwärtigen Pflegenotstands in deutschen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gerechtfertigt.

Ursprünglich war dieses Modell der Vermittlung von Pflegekräften dazu gedacht, kurzfristige Personalengpässe in Ausnahmefällen zu lösen. Jedoch scheint der Trend inzwischen zu einem standardisierten Einsatz von Zeitarbeit in der Pflege in den Einrichtungen zu gehen. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren es 2014 noch ca. 12.000 Leiharbeiter in der Krankenpflege, im Jahr 2018 bereits 22.000. In der Altenpflege zeichnet sich ein ähnliches Bild ab, denn in demselben Zeitraum hat sich die Zahl von 8.000 auf 12.000 Leih-Altenpflegekräfte erhöht. Dabei gibt es Grund zur Annahme, dass besonders in Großstädten und Ballungsräumen bundesweit der Anteil an Leiharbeitern in der Pflege deutlich höher liegt.

Das Versprechen für bessere Arbeitsbedingungen und höheres Gehalt für Pflegekräfte

Tatsächlich spielen für den aufsteigenden Trend vor allem die wahrgenommenen Vorteile der Zeitarbeit in der Pflege eine wichtige Rolle. Allen voran hat die Aussicht auf ein höheres Gehalt für Pflegekräfte als Leiharbeiter eine anziehende Wirkung. Hinzu kommen bessere Arbeitsbedingungen, denn Zeitarbeiter profitieren von flexibleren und selbstbestimmteren Arbeitszeiten. Dadurch ist es beispielsweise möglich, Schichtarbeit und kurzfristiges Einspringen zu vermeiden und Wunschschichten zu fordern. Mit diesen Konditionen umgehen sie einen der wichtigsten Gründe für die sinkende Attraktivität der Pflegeberufe in Deutschland. Außerdem geben Leiharbeitskräfte an, dass sie sich mehr vom Arbeitgeber wertgeschätzt fühlen und weniger organisatorische Verantwortung übernehmen müssen.

Doch genau dieser Aspekt gibt Anlass zur Kritik an der Zeitarbeit in der Pflege. Denn die fehlende Integration der Zeitarbeiter und ein vermindertes Verantwortungsgefühl wirken sich negativ auf die Versorgungsqualität aus. Hinzu kommt der zusätzliche Aufwand für die Einarbeitung der Pflegekräfte, die meist nicht dauerhaft im Betrieb bleiben. Auf Seiten der festangestellten Pflegekräfte macht sich daher Unzufriedenheit breit, da sie sich ungerecht gegenüber den externen Kollegen behandelt fühlen. Neben einem ungünstigen Arbeitsklima sorgt auch das geringere Gehalt bei mehr Aufwand für Frustration unter dem Stammpersonal. Dabei geht es nicht zuletzt auch um die Gefährdung der Sicherheit der Patienten durch Zeitarbeit in der Pflege. Dies ist durch fehlende Kenntnisse über die Abläufe und Strukturen begründet.

Leiharbeit in der Pflege sorgt für hohe Kosten in Kliniken und Einrichtungen

Der ständige Einsatz von externem Personal bedeutet eine hohe finanzielle Belastung für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Dieser Trend könnte weiter verschärft werden, da Vermittlungen zum Teil aggressiv die internen Mitarbeiter abwerben – mit Erfolg. Dabei locken vor allem die besseren Konditionen der Zeitarbeit in der Pflege im Vergleich zur festen Anstellung. Eine solche Entwicklung lässt den Personalmangel in den Kliniken weiter zuspitzen, da die Unterbesetzung wiederum mit externem Personal von den Vermittlungen aufgefangen werden muss. Sollte der Anteil an Leiharbeit in der Pflege in den Einrichtungen steigen, bedeutet das in der Folge steigende Kosten für die Kliniken. Daneben bleiben die großen Profiteure dieser Situation die Zeitarbeitsfirmen.

Zeitarbeit in der Pflege verstärkt die bereits bestehende Belastung des Pflegepersonals

Höheres Gehalt und bessere Konditionen – aber wer kommt für die Kosten auf?

Leiharbeit in der Pflege bedeutet immense Kosten für Kliniken und Pflegeeinrichtungen. So kostet der Einsatz eines Leiharbeiters im Schnitt fast zweimal so viel wie eine festangestellte Pflegekraft. Da die Mehrkosten nicht von den Krankenkassen getragen werden, müssen die Einrichtungen Wege finden, um sie zu decken. Alten- und Pflegeheime erhalten von der Pflegeversicherung feste Sätze für ihre Bewohner je nach deren Pflegegrad. Die restlichen Kosten tragen die Pflegebedürftigen meist selbst. Daher liegt die Vermutung nahe, dass sich viele Pflegebedürftige die immer teurer werdende Pflege nicht mehr leisten können und Unterstützung beim Staat beantragen müssen. Auf diese Weise würden die Personalkosten letztendlich vom Steuerzahler getragen werden.

Kontroverse Diskussion um Zeitarbeit in der Pflege

Politiker und Interessenvertreter sind sich uneinig über den Faktor Zeitarbeit in der Pflege. Sowohl Befürworter als auch Gegner der Eindämmung der Leiharbeit argumentieren, dass sich der Pflegenotstand weiter verschärfen wird – aus unterschiedlichen Gründen. Während Gegner argumentieren, dass die bereits bestehenden Personallücken nicht mehr gedeckt werden könnte und dadurch die Qualität noch mehr leide als ohnehin schon, befürchten Befürworter die Abwanderung von immer mehr festangestelltem Pflegepersonal in andere Berufe. Insbesondere die Politik rund um Dilek Kolacyi und Jens Spahn sehen die Reduktion von Zeitarbeit in der Pflege als ein geeignetes Mittel, um die Abwanderung von Pflegekräften zu Zeitarbeitsfirmen oder sogar ganz vom Pflegearbeitsmarkt zu verhindern

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation entwickelt. Fest steht jedoch, dass dringend Handlungsbedarf von Seiten der Politik besteht. Denn es bleibt unumstritten, dass es zwingend Reformen bedarf, um die Versorgungsqualität langfristig sicherzustellen. Die aktuelle Diskussion um die Zeitarbeit in der Pflege zeigt, dass diese die tiefliegenden Probleme des Pflegesystems in Deutschland allenfalls kurzfristig lösen kann. So wird es auf lange Sicht in jedem Fall notwendig sein, die Arbeitsbedingungen und das Gehalt von Pflegekräften zu reformieren.